Samstag, 17. Oktober 2020

Dürfen „normale“ Bürgerinnen und Bürger im Stadtrat reden oder nicht? - von Andreas Bördlein

Nimmt Bezug auf diesen Mainpost-Artikel:

https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/gabolshausenoffensichtlich-kaum-kritik-an-mobilfunkvorhaben;art767,10508952

In der Stadtratssitzung vom 01.10.2020 wurde über die Aufstellung eines Mobilfunkmastes im Stadtteil Gabolshausen beraten. Aus diesem Grund waren eigens zwei Bürger aus Gabolshausen angereist. Sie fragten in der Sitzung nach, ob es möglich sei, zu diesem Thema kurz etwas sagen zu dürfen. Die anwesenden Stadträtinnen und Stadträte stimmten über diesen Antrag ab und entschieden sich mit 11 zu 8 Stimmen dagegen. Während der sich anschließenden kurzen Diskussion äußerte Bürgermeister Helbling die Meinung, dass es wohl besser sei, in Zukunft grundsätzlich keine Beiträge von Bürgerinnen oder Bürgern Bad Königshofens in Stadtratssitzungen mehr zuzulassen.

Für die Erteilung des Rederechts für die beiden Gabolshäuser waren die Stadträtinnen und Stadträte der Fraktion „20 plus“, zu der neben den drei Vertretern von TEAM2020 auch noch die Listen aus Merkershausen und Eyershausen und die SPD gehören. Außerdem sprach sich die Vertreterin der ABB für ein Rederecht der beiden aus.

Alle anderen waren dagegen, u.a. auch die Vertreter von CSU und Junger Liste.

Im Flyer der Jungen Liste zur letzten Stadtratswahl findet sich bei den Zielen folgende Formulierung:




Auf den Wahlplakaten der CSU war dieses Motto zu finden:




Es sei die Frage erlaubt: „Näher als wer?“ In der obigen Sitzung zumindest waren die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktion 20plus und der ABB auf jeden Fall deutlich näher an den zwei besorgten Bürgern aus Gabolshausen als der Rest des Stadtrates.

Mir ist bewusst, dass sich aus den Vorschriften über die Öffentlichkeit der Sitzungen (Bayerische Gemeindeordnung Art. 52) kein Rederecht für Zuhörer ergibt. In vielen Kommunen wird es aber so gehandhabt, dass der Gemeinderat/Stadtrat im Einzelfall beschließen kann, Zuhörer anzuhören, wenn dies für die Behandlung des jeweiligen Beratungsgegenstandes sachdienlich ist. Wäre die Meinung zweier vom Mobilfunkmast direkt Betroffener nicht sachdienlich gewesen?

Wenn nicht einmal eine kleine Stadt wie Bad Königshofen ein bisschen mehr Bürgernähe hinbekommt als das rechtlich festgelegte Mindestmaß, ist es um unsere demokratische Kultur nicht gut bestellt. Schade.

P.S.: Wie immer würden wir uns über Kommentare freuen. Allerdings veröffentlichen wir diese nur, wenn der Absender (Vor- und Nachname) dabei steht.


7 Kommentare:

  1. Sehr gut geschrieben.
    Als gelegentliche Besucherin der Stadtratssitzungen, frage ich mich warum es keine generelle Redeerlaubnis für Bürger gibt. Leider, wie ich finde, sind meist eh nicht viele Bürger da, ich kann mir auch nicht vorstellen dass es, sollte es eine Redeerlaubnis geben, plötzlich viel mehr Zuhörer werden.
    ..... Und sollte ein Bürger wirklich mal zuviel und zulange sprechen, könnte man als Stadtrat auch noch beide Hände heben......

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    1. Andreas Bördlein18. Oktober 2020 um 14:22

      Vielen Dank für die Rückmeldung. Ich stimme dir zu. Zu der von dir angesprochenen Gefahr, dass ein Zuhörer allzu lange spricht: Wieso begrenzt man nicht einfach die Redezeit? Meinetwegen auf zwei Minuten? Bei der anschließenden Diskussion darf er ja dann ohnehin nicht teilnehmen, dieses Recht ist den Stadträtinnen und -räten vorbehalten.

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    2. Aber warum begrenzen?
      Muss man für alles und jedes schon im Vorfeld ein "Gesetz" machen? Wenn ein Bürger (Wähler!!) etwas sagen möchte, sollte man ihm als gewählter Vertreter zuhören und wenn es 5 Minuten dauert, dann ist das eben so. Wenn sich das Gespräch im Kreis dreht und wiederholt kann man das als Sitzungsleiter auch höflich beenden.

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  2. Hi Petra und Andreas, ich finde eure Ideen total sympathisch und bin auch der Meinung, irgendeine unbürokratische Einbindung der Bürger in die Stadtratssitzungen sollte unbedingt möglich sein. So fühlt sich der Bürger ernst genommen und identifiziert sich viel besser mit den getroffenen Entscheidungen. Allerdings ist ein ungeregeltes und pauschales Rederecht für Zuhörer meines Wissens rechtlich leider nicht zulässig. Aber es gibt ja, wie Andreas vorschlägt, unzählige Möglichkeiten, dem Bürger dennoch eine Teilnahme zu ermöglichen.

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  3. Genau, Tobias.
    Es gibt viele Möglichkeiten, als Bürger Einfluss zu nehmen. Es gibt Bürgerversammlungen, jeder der Räte hat eine öffentliche Mailadresse (so kann man schnell und unbürokratisch wirklich alle Räte erreichen) und anders als in manchen Städten, wo es eine Bürgersprechstunde gibt, ist unser Rathaus von Montag bis Freitag offen für die Anliegen der Bürger.
    Als ich vor zwanzig Jahren die ersten Male eine Stadtratssitzung besucht hab, gab es prinzipiell kein Rederecht. Ich persönlich finde tatsächlich, dass wir nicht aus jeder Sitzung eine Bürgerversammlung machen sollten, allein aus dem Grund, weil die Sitzungen eh oft die halbe Nacht dauern.
    Über die derzeitige Situation bin ich aber unglücklich. Es bringt einfach Unfrieden mal Rederecht zu erteilen und mal nicht. Deshalb habe ich in anderen Städten nachgefragt. Von Ebern über Hofheim, Schweinfurt und Bad Neustadt - keiner hat Rederecht.
    Allerdings haben so gut wie alle Gemeinden erzählt, sie erteilen jedem Rederecht - wenn mal einer in der Sitzung auftaucht.

    Fazit: Die Diskussion darüber hat begonnen und das ist gut in einer Demokratie. Ein roter Faden sollte natürlich für alle erkennbar sein. Ich meine damit, kann man Dinge ausprobieren und wenn man merkt, dass es nicht praktikabel ist, wieder revidieren? Oder sagen dann die Bürger: Hüh und Hott - die wisse net was se wolle!

    Was meint Ihr?

    Liebe Grüße
    Sabine Rhein

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    1. Hallo Sabine,
      natürlich hast Du Recht, wenn du sagst es gibt viele Möglichkeiten Stadt und Stadträte zu erreichen, diese Möglichkeiten sind auch der "normale" Weg. Dennoch empfinde ich es als richtig einen Bürger, der sich in einer Sitzung meldet, auch sprechen zu lassen.
      Ich war in dieser Legislaturperiode in fast jeder Sitzung als Zuhörer, es war, vor oben genannter Sitzung, nur einmal der Fall, dass Zuhörer sprechen wollten und durften. Zwei Bürger haben damals am gleichen Tag gesprochen und zusammengefasst sicherlich nicht mehr als 7-8 Minuten, das sehe ich nicht als Grund für lange Sitzungen oder wie Du es beschreibst, "aus jeder Sitzung eine Bürgerversammlung machen".
      Am Beispiel der beiden Gabolshäuser Bürger sieht man leider auch, dass nicht jedes (kritische?!) Gespräch mit einem Stadtrat auch im Gremium ankommt. Dass einer der beiden Bürger bereits mit einem Stadtrat Kontakt aufgenommen hatte, wurde erst erwähnt nachdem um einen Vermerk ins Protokoll gebeten wurde. Der Inhalt dieses Gesprächs wurde auch nicht mitgeteilt, oder hab ich es bis ganz hinten nur nicht gehört?


      Ich bin der Meinung, wenn ein Bürger in die Stadtratsitzung kommt und sich dort ein Herz fasst um zu den 20 Räten plus Ortssprecher und Bürgermeister etwas zu sagen, sollte das niemand verbieten. Alle, die das verbieten könnten, sind von ebendiesen Bürgern gewählt, keiner hat sich das erarbeitet oder angeeignet sondern ihnen wurde das Vertrauen von Bürgern (Wählern) geschenkt und genau diesen Bürgern den Mund zu verbieten, wirkt für mich arrogant.

      Liebe Grüße Petra

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    2. So, ich nochmal. Ich wollte nur noch erwähnen, dass ich das Argument "Zeitmangel" etwas schwierig finde. Es wird schon viel Zeit durch die Montagsbesprechungen gespart, welche meiner Meinung nach bezüglich Transparenz und Öffentlichkeit/Bürgernähe schon sehr bedenklich sind. Dann am Donnerstag den gleichen Bürgern, die Montags schon ausgesperrt werden, dann auch noch aus Zeitgründen die Teilhabe zu verweigern, halte ich für falsch und sogar ein bisschen zynisch. Klar, Stadträte sind ehrenamtlich tätig und irgendwie muss die ganze Sache durchführbar bleiben. Aber es geht hier um unsere Stadt/Zukunft/Kinder usw, da muss die Zeit woanders gespart werden oder halt mal eine Sitzung mehr, dafür nicht so lange abgehalten werden. So zumindest meine Meinung :-)

      Schöne Grüße und danke für die schöne Diskussion
      Tobias

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