Samstag, 17. Oktober 2020

Hintergründe zu nichtöffentlichen Stadtratssitzungen - von Tobias Matz

 

Nimmt Bezug auf diesen Mainpost Artikel:

https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/gabolshausenoffensichtlich-kaum-kritik-an-mobilfunkvorhaben;art767,10508952

Aus dem Zeitungsbericht: 
„In der Sitzung stellte Stadtrat Tobias Saam den Antrag, einen Punkt aus dem nichtöffentlichen Teil im öffentlichen Sitzungsteil zu behandeln. Der Stadtrat lehnte das mit 11 gegen 8 Stimmen ab. Nach Aussage von Elisa Sperl, Geschäftsführerin der Stadt, am Tag nach der Sitzung gegenüber der Redaktion, sei der Beschluss richtig gewesen, da es in dem besagten Tagesordnungspunkt um Interna ging.“

Da mir persönlich die Transparenz von Kommunalpolitik sehr wichtig ist, will ich diesen Ausschnitt aus dem Mainpost-Bericht zum Anlass für einen Blog-Eintrag zum Thema nichtöffentliche Stadtratssitzungen nehmen. Ich möchte mit diesem Eintrag die rechtlichen Grundlagen zum Thema erklären und an mich gestellte Fragen zum Zeitungsartikel beantworten.

Die gesetzliche Regelung zur Öffentlichkeit der Stadtratssitzungen in Art.52 Absatz 2 BayGO (Bayerische Gemeindeordnung) ist sehr deutlich: „Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen.“
Es bedeutet genau das, was dasteht: Die Sitzungen sind zwingend, ohne Wahlmöglichkeit, öffentlich abzuhalten, solange nicht das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. Beschlüsse, die zu Unrecht die Öffentlichkeit ausschließen, sind ohne Wenn und Aber unwirksam, da die „Öffentlichkeit für den demokratischen Willensbildungsprozess überragende Bedeutung hat“ (so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof). Es kann also fatale Folgen haben, die Öffentlichkeit zu Unrecht auszuschließen.

Was sind jetzt diese Ausnahmefälle, das „Wohl der Allgemeinheit“ oder „Ansprüche Einzelner“?
Die Geschäftsordnung des Stadtrates Bad Königshofen nennt in § 22 Absatz 1 einige Beispiele:
Personalangelegenheiten in Einzelfällen, Rechtsgeschäfte in Grundstücksangelegenheiten, Angelegenheiten, die dem Sozial- oder Steuergeheimnis unterliegen, Vergabe von Bau- und sonstigen Aufträgen und Konzessionen.
Damit sollen grundsätzlich manche Nachteile für die Kommune bzw. deren Verhandlungspartner oder betroffene Bürger vermieden werden und deshalb gibt es einige wenige Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit. Verhandelt die Stadt öffentlich mit einem Bauunternehmer einen Preis, so weiß der nächste Unternehmer natürlich direkt, wieviel die Stadt zu bieten bereit ist oder was die Konkurrenz so verlangt usw. Das Personalangelegenheiten im Einzelnen nicht öffentlich behandelt werden können, leuchtet, denke ich, jedem ein.

Das Verfahren läuft dann so, dass der Stadtrat selbst und im Geheimen darüber abstimmt, ob etwas öffentlich oder nichtöffentlich beraten wird (Art. 52 Abs.2 BayGO). Wichtig ist: Es gibt kein Recht der Stadträte, etwas „lieber im kleinen Kreis zu besprechen“ oder „das unter sich auszumachen“. Auch das Argument: „Wenn wir das öffentlich besprechen, ist das schlecht für das Image der Stadt“, ist kein zulässiger Grund, die Öffentlichkeit auszuschließen. Der Stadtrat ist kein Verein, der seine eigenen Regeln aufstellt. Er ist ein vom Bürger gewähltes Gremium, welches dem Gesetz untersteht und auch vom Bürger eingesehen und kontrolliert werden soll. Die Sitzung ist zwingend öffentlich, es sei denn, es liegt einer der oben genannten Ausnahmefälle vor, dann ist die Sitzung zwingend nichtöffentlich. 
Der einzelne Stadtrat darf also bei der Abstimmung über den Ausschluss der Öffentlichkeit auf keinen Fall überlegen: „Würde ich das lieber im nichtöffentlichen Teil besprechen?“ Er muss sich vielmehr fragen: „Liegt einer der Ausnahmegründe vor oder nicht?“ Nur wenn einer der Gründe vorliegt, darf er für den Ausschluss der Öffentlichkeit stimmen.
Besonders heikel ist dabei übrigens: Wenn ein einzelner Stadtrat überzeugt ist, dass ein brisanter Punkt öffentlich zu verhandeln gewesen wäre, aber das Gremium dagegen gestimmt hat, darf er wegen der Schweigepflicht niemandem von diesem Sachverhalt erzählen und ist somit effektiv „mundtot“.

Zurück zu unserem Zeitungsbericht: Es wurden „Interna“ besprochen, die Abstimmung ging 11 zu 8 aus. 
Wie gerade erklärt, ist nicht nach persönlicher Vorliebe abzustimmen, sondern einzig danach, ob ein Ausnahmegrund vorliegt oder nicht. Das bedeutet schon einmal, dass sich entweder die 8 oder die 11 Stadträte geirrt haben. Wobei es natürlich in manchen Graubereichen schwierig sein kann, von „richtig“ oder „falsch“ zu sprechen.
„Interna“ kann alles bedeuten, erfahren werden wir Nicht-Stadträte es wohl nie. Aber ich gehe davon aus, dass der Grund für die nichtöffentliche Sitzung in Wahrheit etwas wichtiger war, als „Interna“ es vermuten lassen. Denn meiner Meinung nach gibt es keinen Ausnahmegrund, welcher die geheime Besprechung von Interna erlaubt. Dann wäre der Punkt zwingend öffentlich zu beraten gewesen.

Ich hoffe auf jeden Fall, dass sich die Stadträte der Stadt Bad Königshofen darüber bewusst sind, was bei der Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit alles zu beachten ist und dementsprechend ihre Stimme abgeben. Wir als Bürger sind darauf angewiesen.

Zwei kurze Dinge zu Frau Sperls Rolle im Zeitungsbericht, da ich konkret danach gefragt wurde:

1. Warum weiß sie, was da beraten wurde, es war doch nichtöffentlich? 

Da Frau Sperl dem Stadtrat nicht angehört (nur Bürgermeister und Stadträte, Art. 31 Abs.1 BayGO) hätte sie grundsätzlich nicht dabei sein dürfen. Alle Personen, außer den Stadtratsmitgliedern, dürfen nur nach ausdrücklichem Beschluss der nichtöffentlichen Sitzung beiwohnen (§ 22 Abs.2 Geschäftsordnung). Jederzeit anwesend sein darf allerdings die Protokollführerin. Ich schätze mal, dass man das Problem so gelöst hat. Aktiv in die Debatten des Stadtrats eingreifen darf aber weder sie, noch sonst ein externer Teilnehmer, egal ob in der öffentlichen oder nichtöffentlichen Sitzung. Die Teilnehmer können höchstens vom Stadtrat zu gewissen Dingen um Auskunft oder Meinung gebeten werden.

2. Warum entscheidet Frau Sperl, ob die Entscheidung des Stadtrats „richtig“ war, wie es in der Zeitung steht?

Sie entscheidet das nicht. Der Stadtrat überwacht die Stadtverwaltung, nicht andersherum, Art. 30 Abs.3 BayGO. Ich denke, die Zeitung hat nur Frau Sperls Rechtsmeinung wiedergegeben. Die tatsächliche rechtliche Überwachung solcher Beschlüsse übernimmt im Zweifel die Rechts- bzw. Fachaufsichtsbehörde, das Landratsamt.

Zum Abschluss noch ein Lob an die Mainpost. Ich finde es super, dass am nächsten Tag direkt nachgehakt wurde, warum die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden war.

Tobias Matz

P.S. in eigener Sache:

Die Blogbetreiber (also im Moment Andreas und ich) freuen sich jederzeit über Rückmeldungen, Anregungen oder einfach nur Diskussionsbeiträge, gerne auch hier als Kommentar (bitte nur mit echtem Namen, sonst wird der Kommentar gelöscht). Es würde uns freuen, wenn der Blog eine lebendige Umgebung wird, in welcher kommunalpolitische Themen in entspannter Runde abseits von Facebook-Likes und allem, was dazu gehört, diskutiert werden könnten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen