Sonntag, 6. September 2020

Zutritt nur für (Fraktions)Mitglieder - von Tobias Matz


Nimmt Bezug auf:

https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/koenigshofen-kauf-des-neuen-feuerwehrautos-beschlossene-sache;art767,10478621

Mit zwei kurzen Sätzen wurde im verlinkten Zeitungsbericht eine Begebenheit aus der Stadtratssitzung vom 30.07.2020 abgehandelt (Presse war nicht vor Ort). Da ich diesen Sachverhalt aber wichtig und interessant finde, habe ich mich entschlossen, ein paar Zeilen dazu zu schreiben.

Worum es geht: Stadtratssitzungen der Stadt Bad Königshofen sind üblicherweise donnerstags. Jeweils am Montag vor den Sitzungen findet ein von der Stadtverwaltung und dem Bürgermeister organisiertes Informationsgespräch statt. Dort werden die Stadträte von der Stadtverwaltung (teilweise unter Hinzuziehung eines passenden Sachbearbeiters) mit relevanten (Hintergrund-)Informationen versorgt. Diese Informationen brauchen sie am Donnerstag in der Sitzung möglicherweise, um eine gut begründete Entscheidung in einer Sache treffen zu können. Oder man nutzt die Informationen bereits im Vorfeld, um die Sache innerhalb der Fraktion vorzubesprechen. Nun wird anscheinend die Stadträtin Petra Friedl von diesen Informationsgesprächen ausgeschlossen, wogegen sie im Stadtrat vorgehen wollte. Dieser Versuch scheiterte mit 10 zu 11 Stimmen. Die Hauptbegründung für ihren Ausschluss von den Gesprächen scheint zu sein, dass die Gespräche angeblich nur für Vertreter von Fraktionen seien, und Frau Friedl gehört eben keiner Fraktion an.

Ich kann mich damit nur wenig anfreunden. Im Ergebnis werden hier Stadträte massiv benachteiligt, wenn sie sich keiner Fraktion anschließen. Dafür gibt es meines Wissens keine Rechtsgrundlage oder sonstige Anhaltspunkte in irgendeinem Gesetz. Zu den Informationsgesprächen selbst finden sich auf der Homepage der Stadt überhaupt keine schriftlichen Regelungen (also auch nicht darüber, wer teilnehmen darf und wer nicht) und in § 5 der Geschäftsordnung des Stadtrates steht nur, dass Fraktionen gebildet werden „können“ (nicht müssen!). Wenn ein Stadtrat der Meinung ist, auf sich allein gestellt die besten Ergebnisse erzielen zu können, mit welcher Legitimation soll ihm das verwehrt werden? Er oder sie muss doch nicht mit Leuten eine Fraktion bilden, mit denen er/sie politisch nicht zusammenarbeiten will. Durch das Vorenthalten von Informationen, falls man sich keiner Fraktion anschließt, wird man aber meiner Meinung nach genau dazu genötigt.

Klar, ab einer gewissen Größe eines Gremiums werden Vorbesprechungen mit abgespeckter Teilnehmeranzahl wichtig, um die Funktionalität zu erhalten und den Betrieb nicht bis zum Stillstand zu verlangsamen. Aber bei einem Stadtrat mit 20 Personen? Selbst wenn jeder Einzelne am Vorgespräch teilnehmen würde, wäre das doch noch locker machbar. Und sollte sich eine Person nicht ordentlich benehmen, gibt es ja zahlreiche Möglichkeiten für den Besprechungsleiter, diese Person zur Ordnung zu rufen (in den Stadtratssitzungen z.B. Art. 53 Gemeindeordnung). So etwas könnte man für die Vorbesprechungen ebenfalls ganz einfach vereinbaren.

Interessant und für mich unverständlich ist zudem, dass zwei der Abstimmenden (Helbling/Scheublein) im Kreistag noch kurz zuvor bei der selben Problematik (es ging um einen fraktionslosen Kreisrat der Linken) dafür gestimmt haben, ihn trotz Fraktionslosigkeit an den dortigen Vorgesprächen teilnehmen zu lassen.

Hm. Was machen wir denn jetzt damit? Entweder es gab nach der Abstimmung im Kreisrat eine Erleuchtung in der Richtung: „Ach ich Blödel, ich bin ja eigentlich total dagegen“. Oder aber, es geht in der Sache mit Frau Friedl gar nicht um die Einhaltung irgendwelcher (fiktiven) Regeln bezüglich Fraktionszugehörigkeit, sondern ganz einfach um persönliche Abneigungen einiger Stadträte.
Da mein Eintrag hier zu Ende wäre, wenn Variante 1 zutreffen würde, gehe ich jetzt aus dramaturgischen Gründen einfach mal von den persönlichen Abneigungen aus. Was haben denn persönliche Abneigungen bei Entscheidungen im Stadtrat verloren? Stadträte und der Bürgermeister sind von den Bürgern gewählte Vertreter und haben das persönliche Zeug am Eingang zum Rathaus zurückzulassen. Das ist doch genau die unprofessionelle Herangehensweise, die von vielen Bürgern in der Politik generell und zu Recht angeprangert wird. Es soll sachlich und zum Wohle der Stadt und der Bürger beraten und entschieden werden, und nicht nach persönlichen/privaten Neigungen. Die politischen „Gegner“ sollten mit Argumenten und Logik in den Sitzungen geschlagen werden, nicht mit billigen und meiner Meinung nach undemokratischen Winkelzügen.

Überhaupt mal ganz doof gefragt: Was oder wem soll es denn überhaupt nutzen, Frau Friedl nicht mit Informationen zu versorgen? So muss sie einerseits Ressourcen der Stadt unnötig beanspruchen (=verschwenden), um sich auf eigene Faust im Laufe der Woche bei den Sachbearbeitern zu informieren. Andererseits sitzt sie im worst case am Donnerstag in der Sitzung und muss dort bereits beantwortete Fragen erneut stellen (=Zeit verschwenden) oder sie stimmt über etwas ab, ohne alle Informationen zu haben. Cool, das klingt wirklich sinnvoll für alle Beteiligten.

Es wird auch teilweise behauptet, die Informationsveranstaltung sei eine komplett freiwillige Serviceleistung des Bürgermeisters/der Stadt und daher gelten dort auch nur deren Regeln. So einfach ist es allerdings nicht. Zum einen hat der Bürgermeister die Pflicht, die Beratungsgegenstände der Stadtratssitzungen vorzubereiten (Art. 46 Abs.2 Gemeindeordnung) und dazu gehört auch, die Stadträte in irgendeiner Form mit den essentiellen Hintergrundinformationen zu versorgen, um ihnen eine faktenorientierte Entscheidung zu ermöglichen. Zum anderen geht es eben nicht einfach so, einzelne Stadträte gezielt zu benachteiligten. Darüber hilft auch der ablehnende Stadtratsbeschluss nicht hinweg (auch wenn 20:1 abgestimmt worden wäre). In der Demokratie gibt die Mehrheit zwar den Ton an. Das heißt aber nicht, dass sie mit der Minderheit machen darf, was sie will. Ich reite deswegen auf dem Thema so herum, weil ich hier mal wieder (man denke an die Causa Stengel Anfang des Jahres, link am Ende des Posts) demokratische Grundsätze verletzt sehe, mit einem Ergebnis, dass an Mobbing grenzt. Ich habe keine Ahnung von Frau Friedls politischer Einstellung, ihren Zielen oder ihrem Verhalten, aber diese Behandlung eines Stadtrats ist nicht rechtmäßig und daher zu beenden.

Wem das alles zu ausführlich und langweilig war, der kann sich einfach folgende Frage stellen:

Kann es korrekt und rechtmäßig sein, dass einer von den Bürgern gewählten Stadträtin von Seiten der Stadt pauschal Informationen vorenthalten werden, die im Ergebnis über die jeweilige Fraktion allen anderen Stadträten zur Verfügung gestellt werden?

 

Tobias Matz

 

P.S.: Aus Gründen der Transparenz, hier noch die Entscheidungen der einzelnen Stadträte. Die Auflistung soll nicht dazu dienen, um mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Ich persönlich interessiere mich einfach dafür, wie der von mir gewählte Stadtrat in gewissen Dingen abstimmt und denke, dass geht anderen Wählern auch so:

Für Ausschluss Friedl (also gegen die Änderung der Geschäftsordnung) haben abgestimmt:

Helbling, Scheublein, Fischer, Fischer, Schönefeld, Weigand, Haschke, Köth, Kempf, Kuhn, Weitz

Gegen Ausschluss Friedl haben abgestimmt:

Helmerich, Saam, Ott, Geller, Dietz, Hartmann, Wilimsky, Friedl, Kneuer, Rhein

 

Link zur Causa Stengel:

https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/Ohne-Rechtsgrundlage-Schriftliche-Ermahnung-an-Stadtrat;art520201,10421989

(#eigenwilligesdemokratieverständnis)

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